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Politische Entwicklung seit 1945

(Artikel aus dem Archiv, Gültigkeit abgelaufen 14.04.2016.)

Im Mai 1945, als der Zweite Weltkrieg durch den Sieg der Alliierten zu Ende war, wurde die Tschechoslowakei wiederhergestellt, und zwar als ein volksdemokratischer Staat. Die Politik des Staates begann links orientiert zu werden,einige politische Parteien wurden auf eine undemokratische Art und Weise verboten. Die Verräter und Kollaborateure wurden bestraft und gleich nach dem Krieg kam zu einem kollektiven Abschub der Deutschen aus dem ganzen Gebiet. Das betraf vor allem das Grenzgebiet mit bisher überwiegend deutscher Bevölkerung – die Sudeten. Durch einen Regierungsumsturz im Februar 1948 ergriff die Macht die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei; das Land wurde zu einem totalitären Staat und zu einem Bestandteil des Sowjetischen Blocks. 

Das System der Gewaltteilung in der Tschechoslowakei hat an Gleichgewicht verloren. Das bedeutete, dass die drei Gewalten, die für eine funktionierende Demokratie notwendig sind, d.h. Exekutive, Legislative und Jurisdiktion, durch eine einzige kommunistische Gewalt ersetzt worden sind. Ihre Macht war in der Verfassung verankert und für vierzig Jahre beherrschte sie unter Einsatz repressiver Maßnahmen alle Ebenen des sozialen und politischen Lebens im Land. Nach der kommunistischen Machtübernahme im Februar 1948 wurde die kommunistische Partei zum einzigen politischen Faktor. Sie ließ zwar einige wenige andere, in einer sogenannten Nationalen Front zusammengefasste Parteien zu, doch besaßen diese keine reale Macht. Sie wurden geschaffen bzw. geduldet, um nach außen das Bild der Tschechoslowakei als eines demokratischen Staates zu erzeugen.

Nach der politischen Wende von 1989, der sogenannten Samtenen Revolution, wurde das Einparteien-System überwunden und die Bürger der Tschechoslowakei erlangten eine neue Freiheit, politische Parteien und Bewegungen gemäß der eigenen politischen Überzeugung selbstbestimmend zu gründen. Nach den revolutionären Ereignissen vom November 1989 stand das gesamte Land vor der nicht einfachen Aufgabe, an seine Traditionen vor der kommunistischen Ära anzuknüpfen und ein demokratisches Regierungssystem aufzubauen. Bereits vor der Teilung der Tschechoslowakei in zwei souveräne Staaten am 31. Dezember 1992 gab es ein etabliertes und breites Spektrum politischer Parteien. Die Verfassung der Tschechischen Republik, die am Tag der Geburt des neuen Staates in Kraft trat, schreibt die Rechte der Bürger fest, regelt das Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative und bestimmt die Unabhängigkeit der Gerichte.

Regierungsbildung seit 1992

Bei den tschechischen Parlamentswahlen im Jahr 1992 erhielt die Koalition ODS (Demokratische Bürgerpartei) - KDS (Christlich-Demokratische Partei) mit 33,4% der Wählerstimmen die Mehrheit. Es wurde eine Regierungskoalition gebildet, die sich aus den folgenden Parteien zusammensetzte: ODS, KDS, ODA (Demokratische Bürgerallianz), KDU-ČSL (Christlich Demokratische Union - Tschechoslowakische Volkspartei). Premierminister war Václav Klaus (ODS).

An den Wahlen im Jahre 1996 nahmen 16 politische Parteien und Bewegungen teil. Sechs davon überstiegen die Fünf-Prozent-Hürde. Die Koalitionsparteien (ODS, KDU-ČSL, ODA) erhielten im Abgeordnetenhaus 99 Stimmen. Ministerpräsident wurde erneut Václav Klaus. Im Dezember 1997 wurde die Regierungskoalition durch ihre Mitglieder aufgrund langer interner Meinungsverschiedenheiten aufgelöst. Im Januar 1998 wurde unter Josef Tošovský eine neue Übergangsregierung aufgestellt. Ihre Aufgabe war es, das Land bis zu den nächsten Wahlen zu führen.

Im Juni 1998 fanden die vorgezogenen Wahlen statt. Hierbei erhielten die Sozialdemokraten (ČSSD) unter Miloš Zeman die meisten Stimmen (32,3%). Nach Verhandlungen zwischen allen Parteien bildete die ČSSD eine Minderheitsregierung und schloss mit der ODS (27,74%) einen Duldungsvertrag ab. Zum ersten Mal seit der politischen Wende von 1989 regierte in der Tschechischen Republik unter der Führung vom Ministerpräsidenten Miloš Zeman eine linksorientierte Regierung.

Vier Jahre später, im Juni 2002, nahmen 29 politische Parteien und Bewegungen an den Wahlen teil. Vier davon stiegen in die Abgeordnetenkammer auf: ČSSD (30,21 %), ODS (24,48 %), KSČM (18,51 %) und die Koalition KDU-ČSL und US (14,28 %). ČSSD bildete die Regierungskoalition mit KDU-ČSL und US, der neue Ministerpräsident wurde Vladimír Špidla (ČSSD). Im Sommer 2004 trat er zurück und wurde durch Stanislav Gross (ČSSD) ersetzt. Fast ein Jahr später trat auch Stanislav Gross zurück und sein Nachfolger wurde Jiří Paroubek (ČSSD).

Die Wahlen im Juni 2006 fanden mit Beteiligung von 26 politischen Parteien statt. Die Sitze in der Abgeordnetenkammer wurden unter fünf Parteien geteilt – ODS (35,38 %), ČSSD (32,32 %), KSČM (12,81 %), KDU-ČSL (7,22 %) und Strana zelených (Die Grünen, SZ - 6,29 %), die zum ersten Mal in die Abgeordnetenkammer durchkam. Zum Ministerpräsidenten wurde im September 2006 Mirek Topolánek (ODS) genannt. Er bildete eine Regierung von ODS und parteilosen Mitgliedern. Diese Regierung amtierte nur einen Monat, dann verlor sie das Vertrauen der Abgeordnetenkammer und regierte bis Januar 2007, als Mirek Topolánek eine neue Koalitionsregierung mit SZ und KDU-ČSL bildete, im Rücktritt. Die neue Regierung erhielt jedoch nur eine Hälfte der Sitze in der Abgeordnetenkammer (d.h. 100), wodurch ihre Stabilität geschwächt wurde. Am 24. März 2009, mitten in der tschechischen Ratspräsidentschaft der EU, wurde der Regierung das Misstrauensvotum ausgesprochen und sie regierte bis Mai 2009 im Rücktritt. Am 9. April 2009 wurde zum neuen Ministerpräsidenten der Tschechischen Republik der damalige Präsident des Tschechischen statistischen Amtes Jan Fischer ernannt. Die Fischer-Regierung war parteilos und amtierte bis zu den nächsten Wahlen im Mai 2010.

Bei den Wahlen am 28. und 29. Mai 2010 wurden in die Abgeordnetenkammer zwei neue Parteien gewählt – TOP 09 (16,71 %) und Öffentliche Angelegenheiten (Věci veřejné, VV - 10,88 %). KDU-ČSL und SZ haben die Fünf-Prozent-Hürde nicht erreicht. ČSSD gewann mit 22,09 % Wählerstimmen, ODS bekam 20,22 %. Obwohl der Wahlengewinner eigentlich die ČSSD war, die Regierungskoalition hat ODS mit den Partnern von TOP 09 und VV gebildet und zum Ministerpräsidenten wurde der neue Vorsitzender der ODS Petr Nečas genannt.

Im Januar 2013 fand  in der Tschechischen Republik die erste Direktwahl des Präsidenten statt. Neun Kandidaten nahmen an der Präsidentschaftswahl teil. Im ersten Wahlgang  erreichte kein Kandidat die absolute Mehrheit der Stimmen. Zur zweiten Runde gingen zwei Kandidaten vor – Miloš Zeman und Karel Schwarzenberg. Die Wahl gewann mit 54,80% der ehemalige Ministerpräsident Tschechiens (1998 – 2002) Miloš Zeman.   

Nach einer innenpolitischen Krise hat am 17. Juni 2013 der Ministerpräsident Petr Nečas seinen Rücktritt angekündigt. Darauffolgend hat Präsident Miloš Zeman am 10. Juli 2013 eine Übergangsregierung genannt und am 25.-26. Oktober 2013 fanden die vorgezogenen Parlamentswahlen ins das Abgeordnetenhaus statt.

An den Wahlen nahmen 24 Parteien teil. Sieben davon stiegen in die Abgeordnetenkammer auf. Die sozialdemokratische Partei ČSSD erhielt die meisten Stimmen (20,45%). In die Abgeordnetenkammer wurden zwei neue Parteien gewählt – ANO 2011 (18,65%) und Úsvit (6,88%).  Die Fünf-Prozent-Wahlklausel erreichten auch die kommunistische Partei KSČM (14,91%), TOP 09 (11,99%) und KDU-ČSL (6,78%). Am 17. Januar 2014 wurde vom Präsidenten der Tschechischen Republik  Bohuslav Sobotka zum Ministerpräsidenten genannt, der eine Koalitionsregierung mit ANO 2011 und KDU-ČSL bildete. Diese wurde feierlich am 29. Januar 2014 ernannt.