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Ministr Lubomír Zaorálek
Foto: Michal Dudáš (©MZV)
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Ministr Zaorálek pro Die Welt

 

Rozhovor s ministrem zahraničí Lubomírem Zaorálkem pro Die Welt ze dne 15.6.2016.

 

"Erzählt uns nicht, dass die Integration gelungen ist"

Der tschechische Außenminister Lubomír Zaorálek verteidigt den Osten Europas und erklärt die Ängste

Der tschechische Außenminister Lubomír Zaorálek kommt am heutigen Mittwoch nach Berlin. Er wird mit Frank-Walter Steinmeier zusammentreffen und in der Humboldt-Universität eine Rede zu Europa halten. In Prag hat er dieser Zeitung erzählt, was ihn umtreibt.

 

Herr Minister, was sind die größten Herausforderungen in den deutsch-tschechischen Beziehungen momentan?

Sich gegenseitig gut zu verstehen, in einer Zeit, in der wir einige Prüfungen zu absolvieren haben. Denn davon, wie wir diese Prüfungen meistern, hängt unsere Zukunft ab.

Welche Prüfungen sind das?

Wir müssen immer noch die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise überwinden. Zweitens brauchen wir in Europa eine gemeinsame Strategie gegenüber Russland. Im Juni laufen die Sanktionen aus. Und wir warten auf das Ergebnis des Referendums in Großbritannien. Das können wir nicht beeinflussen, aber mit dem Ergebnis werden wir zurechtkommen müssen. Und ein weiterer Test ist die effiziente Bewältigung der Migrationskrise. Wir können es uns nicht leisten, hier zu scheitern. Wenn das schiefgeht, verlieren wir das Wertvollste, das nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa aufgebaut wurde.

In den letzten Monaten gab es Unstimmigkeiten zwischen der EU und den Visegrád-Staaten (Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei), was die Bewältigung der Flüchtlingskrise betrifft. Wo sehen Sie die Ursachen?

Die Neuberechnung der Verteilungsquote steht einer tatsächlichen Kompromissfindung im Wege. Denn wenn man einen Kompromiss sucht, geht es nicht darum, dem anderen das Gefühl zu geben, dass er mit seiner Meinung alleine steht. Nehmen Sie zum Beispiel die Debatte um Großbritannien. Die Briten sind auch anders als andere Völker in Europa, trotzdem bin ich überzeugt, dass die Briten unbedingt zu Europa gehören sollten. Die Brexit-Befürworter sagen, der Staat soll entscheiden können, welche Personen das Recht haben in diesem Staat zu verweilen. Das könnte aber das Freizügigkeitsprinzip bedrohen, das wir sehr hoch schätzen. Unter anderem deshalb sind wir in die EU eingetreten. Aber deshalb werfe ich den Briten nicht vor, dass sie gemeinsame Werte verraten würden, sondern ich versuche sie zu verstehen.

Wirft man Tschechien denn vor, dass Sie Europas Werte verraten?

Die Tschechische Republik hat im Verbund mit den Visegrád-Staaten eine bedeutende Rolle gespielt, um den Kontakt mit Großbritannien zu halten. Wir wollen ja, das Großbritannien Bestandteil der Gemeinschaft bleibt. Und ich finde, so muss mit anderen Sichtweisen umgegangen werden. Die Tschechische Republik hat vom ersten Augenblick der Migrationskrise kundgetan, dass sie sich an einer gemeinsamen Lösung beteiligen möchte. Wir waren auch damit einverstanden, einen Teil der Belastungen, das heißt einen Teil der politischen Flüchtlinge, bei uns aufzunehmen. Die entsprechenden Zahlen wurden ständig angepasst. Und jetzt sind wir bereit, um die 2700 aufzunehmen.

Die Slowakei und Polen erwägen, gegen den Verteilungsschlüssel der EU zu klagen. Wollen Sie sich beteiligen?

Ich persönlich halte das nicht für eine gute Vorgehensweise. Auch im Privatleben, wenn es nicht um Flüchtlinge geht, halte ich wenig davon, bei Problemen gleich die Gerichte zu bemühen. Und ich bin dagegen, vom Osten zu sprechen als etwas, das etwas anderes will als der Westen. Deshalb bin ich dafür, das sich auch die Visegrád-Vierergruppe an einer gemeinsamen europäischen Lösung beteiligt. Es gibt viele Sachen, die wir bereit sind gemeinsam zu tun.

Zum Beispiel?

Die Quoten sind meiner Meinung nach der falsche Ansatz. Wir haben 154 Iraker aufgenommen. Nach einigen Wochen stellten wir fest, dass sich alle bereits auf den Weg gemacht hatten nach Deutschland. Nicht, dass es denen hier schlecht gegangen wäre. Aber für die war das nicht das Gelbe vom Ei. Es ist ein absolut fremdes Umfeld, sie haben keine Familienangehörigen, keine Infrastruktur, nichts, was ihre religiösen Bedürfnisse befriedigen konnte. Sie hatten das Gefühl, hier absolut fremd zu sein. Wenn nun ein Mechanismus festlegen würde, dass wir 3000 Leute pro Jahr aufnehmen sollten, dann ist das Problem nicht, dass wir sie nicht aufnehmen könnten, aber was sollen sie hier tun?

Aber Sie wollen sie auch nicht haben?

Wir könnten sie einfach durchwinken und sagen: Schickt sie einfach her, die wollen sowieso nicht zu uns und werden nicht bleiben. Doch die Quoten lösen das Problem ja nicht. Sie rufen aber in unserer Bevölkerung Angst hervor. Wenn jedes Jahr einige Tausend Flüchtlinge aufgenommen werden sollen, dann entsteht die Furcht, dass hier Gettos entstehen werden wie in Brüssel oder den Pariser Vororten. Wenn die Leute fernsehen, was sehen sie dann von Europa? Die Attentate von Paris oder Brüssel. Dann sagen sie sich: "Die sollen uns bloß nicht erzählen, dass die Integration gelungen ist."

Tschechien lehnt also Zuwanderung vor allem aus islamischen Ländern ab?

Das Gefühl, das in Tschechien vorherrscht, ist: Warum sollen wir tolerant gegenüber jemandem sein, der uns gegenüber keine Toleranz an den Tag legt? Wir würden deshalb auf vollkommenes Unverständnis stoßen, wenn wir jetzt die Entscheidung treffen würden, die Quoten anzunehmen, ohne zu wissen, wie sich das weiterentwickelt. Wegen dieser Angst wäre eine solche Lösung nicht gangbar.

Welche Lösung sehen Sie?

Wir sagen den EU-Kollegen immer, es gibt viele Sachen, die wir gemeinsam tun können, zu denen wir auch bereit sind, aber es gibt Sachen, die lassen sich nicht machen. Wenn wir diese Forderungen erfüllen, würden wir nur Öl ins Feuer gießen und den Bewegungen helfen, die Europa destabilisieren. Man muss doch sehen, dass die europäischen Institutionen in einer ganzen Reihe von europäischen Ländern auf eine Art Entfremdung stoßen. Die Kommission unter Barroso war weitaus vorsichtiger. Die ist nicht herausgegangen und hat Konflikte unter den Staaten heraufbeschworen, sondern sie hat eher versucht, die Situation zu beruhigen.

Finden Sie, die jetzige Kommission schürt Konflikte unter den Staaten?

Schüren würde ich nicht sagen, der Ausdruck gefällt mir nicht. Aber es gibt eine Art Politisierung. Die Europäische Kommission sollte doch eher positiv darauf hinwirken, Verantwortung zu teilen. Und nicht Fragen aufwerfen, die für Konflikte zwischen den Staaten oder innerhalb der Staaten führen.

Die EU-Kommission will eine Strafe von 240.000 Euro für jeden nicht aufgenommenen Flüchtling verhängen. Ist das Erpressung, die die Entfremdung weiter befördern würde?

Die Auswirkung wäre eindeutig eine weitere Entfremdung. Wenn an unseren Vorschlägen gearbeitet würde, die wir gemeinsam erarbeitet haben, glaube ich, dass wir gemeinsam etwas erreichen könnten. Stattdessen werden solche Vorschläge unterbreitet und teilweise von sehr heftigen Erklärungen begleitet. Worum geht es uns denn in Europa? Wollen wir wirklich daran arbeiten, Europa zu zersplittern und zu zerteilen? Das wäre das Ende der Idee der Gemeinschaft. Und das würde bedeuten, dass wir das Wertvollste aufs Spiel setzen würden, das wir nach dem Zweiten Weltkrieg errungen haben.

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