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Česko-německé vztahy a český postoj k migraci

 

Rozhovor zástupkyně náměstkyně a ředitelky odboru Veřejné diplomacie Kristiny Larischové, který poskytla německé redakci zahraničního vysílání Radia Praha dne 14. 10. 2015.

„Wir haben schon andere Hürden genommen“ – Kristina Larischová über tschechisch-deutsche Beziehungen angesichts der Flüchtlingsdebatte

Fast schon gebetsmühlenhaft wurde in den letzten Jahren zwischen tschechischen und deutschen Politikern wiederholt, die bilateralen Beziehungen seien so gut wie nie zuvor. In der gegenwärtigen Flüchtlingskrise aber sind plötzlich harsche Töne zu hören, tschechische Medien schimpfen über den allzu emotionalen Zugang der Deutschen zu der Flüchtlingsfrage und beklagen eine neue deutsche Diktatur der „Gutmenschen“. Ist die Masseneinwanderung eine ernsthafte Belastungsprobe auch für die deutsch-tschechischen Beziehungen? Die Zeitung Hospodářské noviny schrieb Anfang Oktober, das tschechisch-deutsche Verhältnis sei so „schlecht wie seit 20 Jahren nicht mehr“. Kristina Larischová warnt im Gespräch mit Radio Prag vor Hysterie und plädiert für mehr Gelassenheit. Die Abteilungsleiterin für öffentliche Diplomatie im tschechischen Außenministerium ist seit vielen Jahren in den bilateralen Beziehungen aktiv, unter anderem im Verwaltungsrat des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds.

Frau Larischová, haben sich die tschechisch-deutschen Beziehungen durch die Flüchtlingsdebatte in Europa verändert?

„Ja, in Europa hat sich seit der Flüchtlingskrise manches verändert. Und es wird noch sehr viel verändert werden müssen, damit wir als Europäer, als Kontinent diese Einwanderungswelle verdauen und überhaupt bewältigen. Es stimmt natürlich, dass die neue Lage uns Tschechen und Deutsche als Nachbarn Sorgen macht, und es ist auch völlig natürlich, dass wir hier einige Dinge unterschiedlich sehen. Denken wir nur an die Asymmetrien zwischen uns: Auf der einen Seite ein Zielland und auf der anderen ein kleineres Nachbarland, das eher ein Transitland ist. Es gibt nach wie vor sehr große Unterschiede zwischen den Lebensniveaus in beiden Ländern. Während die deutsche Bevölkerung direkt und unmittelbar mit den Auswirkungen dieser Migrationswelle konfrontiert wird, beschäftigt sich die tschechische Gesellschaft mit dieser Frage eher auf theoretischer Ebene.“

Woher kommt die starke Abwehr vieler Tschechen gegen die Aufnahme von Flüchtlingen? Handelt es sich um Widerstand gegen ein Diktat von oben, wie der frühere tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg diagnostiziert hat?

„Die tschechische Politik hat von Anfang an auf die Nachhaltigkeit der Lösungsvorschläge aufmerksam gemacht. Quoten werden in meinem Land nicht als nachhaltig wahrgenommen. Der Grund ist ganz einfach: Die Asylsuchenden wollen nicht in Tschechien bleiben.“

„Das war auch der Grund, warum sich einige Politiker zu diesen Sprüchen über ‚München‘ und über ein Diktat verleiten ließen. Aber das ist eher der Emotionalität der ganzen Debatte zuzurechen. Was die Bevölkerung angeht, glaube ich, dass es den Tschechen nicht prinzipiell an der Fähigkeit mangelt, Mitgefühl mit Asylsuchenden zu entwickeln. Ich denke nicht, dass es bei unseren Bürgern an Solidarität mangelt. Aber wo ich den Unterschied zu Deutschland und vielleicht auch zu anderen EU-Ländern sehe: Wir haben kaum Erfahrungen mit Muslimen. Für europäische Verhältnisse sind wir eine äußerst ethnisch homogene Gesellschaft. Die Befürchtungen der tschechischen Bevölkerung haben wahrscheinlich mit einem vereinfachten Bild der muslimischen Gesellschaft zu tun. Damit hängt natürlich auch zusammen, dass unsere Politik vor der großen Herausforderung steht, mit diesen irrationalen Ängsten der Bevölkerung etwas zu machen, dagegen zu steuern. Und das erwartet uns noch.“

Die tschechische Regierung hat, gemeinsam mit der Slowakei und Ungarn, in der Debatte um Flüchtlingsquoten eine harte Linie vertreten; besonders der Innenminister zeigte sich sehr kompromisslos. Hat dieser Kurs im Außenministerium für Diskussionen gesorgt?

„Zur Außenpolitik gehört es auch, die Beweggründe der Anderen zu verstehen und zu kommunizieren. Es ist daher natürlich, glaube ich, dass ein Außenpolitiker mehrere Dimensionen des Phänomens Flüchtlingskrise wahrnehmen muss als ein Innenminister. Eines ist dabei wichtig: Alle Seiten müssen sehen, dass es sich da um eine gesamteuropäische Herausforderung handelt, und daher benötigt man eine gemeinsame europäische Antwort. Aber letztlich mündet vielleicht auch diese Krise, wie so oft in der Geschichte der EU, in eine gesamteuropäische Lösung – eine Asyl- und Einwanderungspolitik, die diesen Namen auch wirklich verdient.“

Sie sehen dafür auch Befürworter auf tschechischer Seite?

„Ja, das sehe ich. Es gibt zunehmend Menschen hier, die auch bereit sind, über die Beweggründe der Anderen nachzudenken. Und man nimmt hier zunehmend auch wirklich wahr: Es ist ein gesamteuropäisches Problem.“

Sie sind seit vielen Jahren für die tschechisch-deutschen Beziehungen aktiv – im Koordinierungsrat des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums, im Verwaltungsrat des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds. Sind die Migrationswellen eine ernsthafte Belastungsprobe auch für die tschechisch-deutschen Beziehungen? Die Zeitung Hospodářské noviny schrieb Anfang Oktober, das tschechisch-deutsche Verhältnis sei so „schlecht wie seit 20 Jahren nicht mehr“...

„Ich würde diese Einschätzung als übereilt und zum Teil auch als hysterisch beurteilen. Warum? Es kann doch nicht sein, dass wir nach beinahe 20 Jahren gezielten Aufbaus unserer bilateralen Beziehungen an einer einzigen Hürde namens Flüchtlingsquoten scheitern. Wir haben viele andere, sehr schwere Hürden genommen. Wir sind bestimmt auch imstande, diese Hürde zu nehmen. Wir haben nämlich ein sehr breites, solides Fundament für unsere Beziehungen. Wir haben sehr viel Energie und mittels des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds auch sehr viel Geld dafür investiert, beide Seiten. Und die Kontakte zwischen Deutschen und Tschechen spielten und spielen sich auf zahlreichen Ebenen ab. Auch unsere Gesellschaften sind während der letzten 20 Jahre im Umgang miteinander viel selbstbewusster und offener geworden. Das hat eine ganz große Bedeutung für mich. Ja, es stimmt: Die Migrationswelle ist eine schwere Belastungsprobe für die deutsch-tschechischen Beziehungen. Aber es stimmt auch, dass wir bereits ganz große Belastungsproben hinter uns haben. Erinnern wir uns zum Beispiel an die Auseinandersetzung um die Zwangsaussiedlung (der Sudetendeutschen, Anm. d. Red.). Dann gab es großes Misstrauen und eine Missstimmung in der Debatte um den freien Personenverkehr, unmittelbar nach unserem EU-Beitritt. Es gab einen ernsthaften Zwiespalt wegen der deutschen Energiewende. Man hat gedacht, dass wird jetzt der Punkt sein, wo wir nicht mehr miteinander können. Jetzt gibt es unterschiedliche Standpunkte zur Migrationsbewältigung und zu den Quoten. Aber man geht miteinander mit Respekt um. Auch wenn wir überstimmt wurden in der Quotenfrage, das freut natürlich niemanden, wenn er überstimmt wird in der EU. Aber wir teilen die Verantwortung für ein gemeinsames Europa und wir akzeptieren das Votum. Das ist eine Tatsache und man muss weitergehen und vor allem ehrlich miteinander kommunizieren.“

Im Juli haben Deutschland und Tschechien einen so genannten „strategischen Dialog“ vereinbart. Eines der wesentlichen Ziele, so sagte Tomáš Kafka, Ihr Kollege aus dem Außenministerium, damals gegenüber Radio Prag, sei es, das Vertrauenspotenzial zu stärken. Ist dieses Vorhaben heute vor dem Hintergrund der Flüchtlingsdebatte besonders aktuell? Wie kann das Vertrauen gestärkt werden?

„Naja, eine gute Portion Vertrauen muss schon vorhanden gewesen sein, als man diesen strategischen Dialog überhaupt gestartet hat. Und für die Realität heute gilt, glaube ich, dass wir nicht unbedingt gleicher Meinung sein müssen. Aber wir müssen fähig sein, rational zu argumentieren und den Willen zeigen, das gemeinsame Problem gemeinsam anzugehen. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass die deutsch-tschechischen Beziehungen oft als Musterbeispiel für gute Beziehungen zwischen einem größeren und einem deutlich kleineren Nachbarn präsentiert werden. Das dient wirklich als Beispiel für andere. Und wir haben gelernt, dass es nicht hilft, sich gegenseitig Schuld zuzuweisen. Sondern man muss geduldig über die realistischen Gestaltungsmöglichkeiten sprechen. Für mich zum Beispiel ist Deutschland ein sehr inspirierendes Land. Ich denke, unsere Gesellschaft kann sehr viel von der deutschen Zivilgesellschaft lernen, vor allem auf dem Gebiet der interkulturellen politischen Bildung und des aktiven Bürgertums. Und das lässt sich auch im Rahmen des neuen strategischen Dialogs realisieren. Ich bin mir sicher, Migrationsthemen werden auf der Diskussionsliste sein, das geht gar nicht anders. Und ich glaube, der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds und das Deutsch-Tschechische Gesprächsforum als ein wichtiges Projekt des Zukunftsfonds – diese Institutionen, die wir schon haben – werden auch dazu beitragen können, dass wir uns ehrlich austauschen. Da bin ich sehr zuversichtlich, dass es noch Potenzial gibt, um das Vertrauen zwischen uns zu stärken.“

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Autor: Silja Schultheis

 

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