deutsch  česky 

Erweiterte Suche
na_celou_sirku
Photo: ČNFB
Artikelhinweis  Drucken  Decrease font size Increase font size

Deutsch-tschechischer Journalistenpreis 2021 verliehen

Der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds hat am Freitagabend in Brünn den Deutsch-tschechischen Journalistenpreis 2021 verliehen. Bei einer feierlichen Inszenierung in der Markthalle am Krautmarkt wurden in Anwesenheit zahlreicher Journalisten, Ehrengäste und der breiten Öffentlichkeit Insgesamt 13 deutsche und tschechische Autorinnen und Autoren mit insgesamt acht Preisen ausgezeichnet.
In einer Liveübertragung des Tschechischen Fernsehens konnte das Ereignis nicht nur von tschechischen Zuschauern, sondern auch von deutschen Zuschauern des Fernsehsenders MDR mitverfolgt werden.

Aus insgesamt 91 Einreichungen wurden die Gewinner in den Kategorien Text, Audio und Multimedia ausgewählt: Tomáš Lindner (Respekt), Renate Zöller (Kulturkorrespondenz östliches Europa), Václav Jabůrek / Ladislav Novák (Tschechischer Rundfunk), Markéta Kachlíková (Radio Prague International), Vít Poláček / Matthias Schmidt (Tschechisches Fernsehen / MDR/ ORF/ Arte) und Danko Handrick / Christian Gramstadt (ARD). Der Sonderpreis „Milena Jesenská“ wurde Karolína Kripnerová, Janek Rous und Vojtěch Sigmund (artyčok.tv) für ihren aktuellen Beitrag über zivilgesellschaftliches Engagement in der Architektur verliehen. Mit der Sonderauszeichnung für langjährige herausragende journalistische Tätigkeit wurde Steffen Neumann geehrt. 

Die Preisverleihung wurde mit einer Ansprache durch den Vorsitzenden des Verfassungsgerichts der Tschechischen Republik, Pavel Rychetský, eröffnet: "Ich weiß es sehr zu schätzen, dass wir seit langem, über mehrere Jahrzehnte, mit unseren deutschen Nachbarn in Freundschaft zusammenleben und in guter Zusammenarbeit verbunden sind. Das begleitet uns bei unseren gemeinsamen Bemühungen um eine bessere Welt. Heute sind wir Zeugen bei der Verleihung des Deutsch-tschechischen Journalistenpreises. Es handelt sich um eine Auszeichnung für Journalisten, deren Arbeit zur Verbesserung der Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen beiträgt. Eine Auszeichnung, die nicht nur für die jetzigen Preisträger von herausragender Bedeutung ist, sondern ich glaube auch fest daran, dass sie darüber hinaus für die zukünftigen Beziehungen zwischen unseren Ländern und zwischen deutschen und tschechischen Journalisten von großer Bedeutung sein wird." 

Petra Ernstberger und Tomáš Jelínek, Geschäftsführer des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, der den Preis auslobt, betonten: "Im vergangenen Jahr wurde der natürliche grenzüberschreitende Kontakt zwischen Tschechen und Deutschen erheblich eingeschränkt. Die Corona-Pandemie und die entsprechenden Maßnahmen gegen ihre Ausbreitung haben das unterbunden, woran wir uns so sehr gewöhnt haben und was uns als selbstverständlich erscheint: alltägliche Begegnungen zwischen Deutschen und Tschechen. In solchen Krisenzeiten ist vielleicht mehr denn je Qualitätsjournalismus gefragt, der wertungsfrei und unvoreingenommen über das aktuelle Geschehen bei unseren Nachbarn berichtet und sich darum bemüht, dieses der Öffentlichkeit im eigenen Land so wahrheitsgetreu wie möglich zu vermitteln. Wir sind sehr froh, dass die geschlossenen Grenzen trotz Corona nicht das Einzige waren, worüber deutsche und tschechische Journalisten im vergangenen Jahr berichtet haben: Sie haben die Bedeutung anderer aktueller gesellschaftlicher und historischer Themen erkannt und ihnen ihre Aufmerksamkeit geschenkt." 

Der Deutsch-tschechische Journalistenpreis wird vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds gemeinsam mit den Journalistenverbänden beider Länder (Deutscher Journalistenverband und Syndikát novinářů ČR) verliehen, Medienpartner der feierlichen Preisverleihung 2021 ist das Tschechische Fernsehen. 

Preisträgerinnen und Preisträger 

Kategorie Text 

In der Kategorie Text wurde Renate Zöller für ihren Artikel Prags Großstadtwinzer der Gründerzeit ausgezeichnet, der am 26. Februar 2021 in der Zeitschrift Kulturkorrespondenz östliches Europa erschienen ist und in dem sie das kulturhistorische Erbe des deutschsprachigen Prager Industriellen Moritz Gröbe vorstellt. „Was der Jury besonders gefallen hat, sind die vielen Bögen, die sie im Text immer wieder höchst souverän und elegant schlägt: Zwischen der Familiengeschichte der Gröbes und der Wirtschaftsgeschichte Böhmens; zwischen dem ehrwürdigen historischen Erbe der Königlichen Weinberge und den sehr entspannten Kelter-Experimenten, die der Winzer Pavel Bulánek heute auf dem Weinberg anstellt“, sagte Jurymitglied Anneke Hudalla vom internationalen Journalistennetzwerk n-ost in ihrer Laudatio.  

Den tschechischen Preis in der Kategorie Text bekam Tomáš Lindner für seine Reportage Zvládli to? [Haben sie es geschafft?] verliehen, die am 30. August 2020 von der Zeitschrift Respekt veröffentlicht wurde. Fünf Jahre nach Beginn der Flüchtlingskrise begab sich der Autor ins Nachbarland, um eine Antwort auf die Frage zu finden, wie Deutschland die Flüchtlingsströme und vor allem die Integration dieser Menschen bewältigt hat. “Eine der grundlegenden Regeln des Journalismus lautet: Du kannst nicht alles schreiben, aber du darfst nichts auslassen. Und Tomáš Lindner lässt nichts aus, er hört aufmerksam zu, schreibt es sorgfältig auf – und ist vor allem nicht auf Antworten erpicht, die ihm einfach gut in den Kram passen“, begründet Adam Černý vom tschechischen Journalistenverband die Entscheidung der Jury.  

Kategorie Audio  

Den deutschen Preis in der Kategorie Audio erhielt Markéta Kachlíková für ihr Radiofeature Sancta Familia: Ein Weihnachtsgeschenk nach 80 Jahren, das am 25. Dezember 2020 von Radio Prague international gesendet wurde. Darin rekonstruiert sie das Schicksal der Familie Wels - und zugleich den Untergang der multiethnischen Normalität der Tschechoslowakei in der Zwischenkriegszeit.“Markéta Kachlíková hat sich in fünfzehn Radiominuten auf das konzentriert, was die Geschichte dieser jüdischen Familie so stark macht: ihre Pläne, Hoffnungen und Träume, die mit der Vorahnung einer dunklen Zukunft konfrontiert werden. Das aufmerksame Publikum erhält so die Gelegenheit, die Geschichte dieser Familie nicht nur anzuhören, sondern auch zu erleben“, unterstreicht Jurymitglied Lída Rakušanová, freie Journalistin (Tschechischer Rundfunk, Tschechisches Fernsehen u.a.) und Prager Korrespondentin der Passauer Neuen Presse.  

Mit dem tschechischen Preis in dieser Kategorie wurden Václav Jabůrek und Ladislav Novák für ihre Reportage Zaostřeno na uzavřené česko-saské hranice [Im Fokus: An der geschlossenen deutsch-tschechischen Grenze] geehrt, die am 28. Februar 2021 von Český rozhlas Plus ausgestrahlt wurde. Die Autoren haben sich zum Höhepunkt der Coronakrise und zur Zeit der geschlossenen Grenzen aufgemacht, um vor Ort zu beleuchten, was die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit an der Grenze in politischer, rechtlicher und vor allem menschlicher Hinsicht bedeuten. “Die beiden Journalisten zeigen in ihrer gemeinsamen Reportage überzeugend und authentisch auf, wie engmaschig inzwischen das deutsch-tschechische Beziehungsgeflecht in der Grenzregion geworden ist. Es ist einfach eine coole Idee, professionell, gekonnt umgesetzt”, sagte Libuše Černá vom Deutschen Journalistenverband Bremen in ihrer Laudatio.  

Kategorie Multimedia  

In der Kategorie Multimedia wurden Danko Handrick und Christian Gramstadt für ihre Reportage Das Geschäft mit der Sucht - Tschechiens Kampf gegen Crystal Meth ausgezeichnet, die sie für den MDR produziert haben und die im Rahmen der Reihe „Heute im Osten Reportage“ am 13. März 2021 gezeigt wurde. Im Mittelpunkt steht nicht nur die Zusammenarbeit zwischen deutschen und tschechischen Schmugglermilieus, um tschechisches Crystal nach Deutschland zu bringen, sondern auch die Kooperation der Polizeikräfte beider Länder im Kampf gegen einen gemeinsamen Gegner. „Danko Handrik und Christian Gramstad plädieren letztlich für eine tabulose Debatte um die Droge Crystal Meth: Sachlich und unaufgeregt. Genau das macht den Film auch so sehenswert“, begründete Michael Hiller vom Deutschen Journalistenverband die Juryentscheidung. 

In dieser Kategorie gewannen zudem das deutsch-tschechische Autorenduo Matthias Schmidt und Vít Poláček. In ihrer zweiteiligen Doku Vertreibung - Odsun, einer Koproduktion vom Tschechischen Fernsehen, MDR, ORF und Arte, stellen sie die Vertreibung der ursprünglichen deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei in den Mittelpunkt - und schildern Ereignisse, über die die Mehrheitsgesellschaft oftmals schwarz-weiß denkt, in außergewöhnlicher Farbig- und Lebendigkeit, Vielfalt und Vielseitigkeit. Stellvertretend für die Jury begründete Vojtěch Berger vom Watchdog-Portal Hlidacipes.org die Vergabe des Preises folgendermaßen: „Matthias Schmidt und Vít Poláček betrachten die Vertreibung konsequent mit den Augen „der Anderen“. Denn alles ist - wie auch im Film mehrfach direkt und indirekt gesagt wird - eine Frage der Perspektive. Die beiden Autoren machen die Vertreibung weder zu einem allein deutschen noch zu einem allein tschechischen Thema, sondern genau zu dem, was sie auch wirklich ist: einem gemeinsamen.“  

Sonderpreis „Milena Jesenská“ 

Der Sonderpreis „Milena Jesenská“ wurde an ein Autorentrio aus dem Studio artyčok.tv und aus dem Verein Architekten ohne Grenzen [Architekti bez hranic] verliehen: Karolína Kripnerová, Janek Rous und Vojtěch Sigmund. Das Thema ihres Beitrags Architektura soužití [Architektur des Zusammenlebens] ist zivilgesellschaftliches Engagement, das darauf abzielt, öffentliche Räume zu schaffen, die auf die aktuellen Bedürfnisse der Gesellschaft reagieren und versuchen, praktische, sinnvolle Alternativen zu alten, eingefahrenen Strukturen zu finden. Dies wird am Beispiel der Bedřiška-Siedlung in Ostrava und des Münchner Kulturzentrums Bellevue di Monaco veranschaulicht. „Es ist ein überzeugendes Plädoyer für die Schaffung autonomer und menschenwürdiger Lebensräume sowie für ein neues Selbstverständnis der Architektur“, begründet Christoph Scheffer vom Hessischen Rundfunk die Auswahl der Jury. 

Sonderauszeichnung für langjährige herausragende journalistische Tätigkeit  

Die Sonderauszeichnung für langjährige herausragende journalistische Tätigkeit 2021 ging an Steffen Neumann. Er pendelt als Journalist regelmäßig zwischen Dresden, Prag und dem deutsch-tschechischen Grenzgebiet und berichtet über das Geschehen in der Region. Durch sein "Pendeln" steht er in ständigem Kontakt mit beiden Seiten: Er ist in der Lage, das Geschehen bei den einen Nachbarn unverzerrt einzufangen - und bei den anderen Nachbarn auf eine Art und Weise darüber zu berichten, die mit Sicherheit deren Interesse und Neugier weckt. Die Bandbreite seiner Arbeit ist nicht nur räumlich, sondern auch thematisch weitreichend. „Auf seine unnachahmliche Art, durch sein Vernetzt-Sein, durch seine Aktivitäten und seine Beiträge hat Steffen Neumann in den vergangenen Jahren sozusagen die Annäherung beider Länder, von Tschechien und Deutschland, außergewöhnlich nachhaltig und intensiv begleitet und dazu verholfen, dass sich Deutsche und Tschechen mittlerweile so nah sind, wie kaum zuvor“, würdigt Jurymitglied Bogna Koreng aus der Sorbischen Redaktion des MDR Neumanns Leistungen.