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Photo: Petr Coufal
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Tschechien ist für Bayern Handelspartner Nummer 1 in Mittel- und Osteuropa

Der Freistaat Bayern nimmt an der Maschinenbaumesse Brünn (MSV) schon zum neunten Mal teil, sogar mit einer Rekordzahl von Firmen. Aber zum ersten Mal besuchte eine hochrangige Delegation des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie die MSV. Staatssekretär Franz Josef Pschierer war beeindruckt von der MSV-Leistungsschau. Das Interview führte Christian Rühmkorf.

Herr Staatssekräter, die MSV ist die größte Fachmesse ihrer Art in Mittel- und Oststeuropa. Welchen Eindruck haben Sie persönlich nach ihrem Rundgang über die Messe, von der Eröffnungsfeier und von den persönlichen Gesprächen, die sie bisher geführt haben?

Es ist nicht mein erster Besuch in der Tschechischen Republik, aber es ist mein erster Besuch in Brünn und auf der MSV. Brünn hat zurecht überregional und international einen Ruf als renommierter Messestandort. Ein imposantes Messegelände, eine sehr beeindruckende Eröffnungsfeier und mit dem Staatspräsidenten, dem Ministerpräsidenten und weiteren Ministern eine außergewöhnlich hohe Beteiligung seitens der Politik. Das habe ich so noch nie erlebt. Ein Kompliment an die Regierung dieses Landes. Zudem zahlreiche hochrangige Gäste, viele internationale Aussteller. Das unterstreicht auch die heraussagende Bedeutung der Messe. Ich habe gerne den bayerischen Gemeinschaftsstand besucht, dem wir hier zum neunten Mal haben, und ich habe auch weitere bayerische Firmen besucht. Und ich war begeistert zu erfahren, dass diese Firmen zum wiederholten Male hier sind und ebenso von den Erfolgen beeindruckt sind. Es ist gerade für die mittelständischen Firmen aus Bayern wichtig, sich an dieser Messe zu beteiligen, sie schafft eine ideale Platform.

Tschechien war 2016 mit einen Handelsvolumen von 19,5 Mrd. Euro der 6. wichtigste Handelspartner Bayerns. Der Maschinenbau spielt da seit jeher eine zentrale Rolle. Warum funktioniert eigentlich dieser bayerisch-tschechische Wirtschaftsaustausch so gut?

In der Fußballersprache gesprochen: Tschechien hat inzwischen sogar einen Tabellenplatz gut gemacht. Im ersten Halbjahr 2017 ist Tschechien auf Platz 5 der wichtigsten bayerischen Handelspartner, und zwar weltweit, vorgerückt. Im gesamten mittel- und osteuropäischen Raum ist das Land heute mit weitem Abstand Handelspartner Nummer 1 für Bayern. Das ist eine imposante Entwicklung seit dem EU-Beitritt der Tschechischen Republik. Die Gründe dafür? Wir haben in beiden Ländern ähnliche Industriestrukturen und eine hohe Ingenieurkompetenz, aber keine nennenswerten Rohstoffe. Deshalb sind Forschung und Innovation für Tschechien und für Bayern in gleicher Weise wichtig. Wir sind heute zudem mit drei Büros in der Tschechischen Republik vertreten: Mit der Delegation der bayerischen Wirtschaft bei der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer mit Bernard Bauer als Delegierten, mit der Repräsentanz von Bayern Handwerk International in Pilsen und dem gemeinsamen Regionalbüro von IHK Regensburg und DTIHK in Pilsen. Es gibt zahlreiche grenzüberschreitende Verkehrs-, Energie- und INTERREG-Projekte, die eine enge Verbindung zwischen Bayern und Tschechien schaffen. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Regierungsbezirken, Landkreisen, Kommunen und den Euregios floriert. Gerade auch zwischen Ostbayern und Westböhmen - das ist heute ein gemeinsamer Wirtschafts- und Arbeitsraum.

Innovation, Digitalisierung, Industrie 4.0, das sind alles wichtige Entwicklungen auch im Maschinenbau. Wie müssen die Weichen gestellt werden, dass gerade auch kleine und mittelständische Unternehmen mit dieser zügigen Entwicklung Schritt halten können? 

Das ist die Aufgabe der Zukunft, quer über alle Branchen. Tschechien und Bayern haben mit ihrem starken Maschinenbau, der Elektroindustrie und dem IT-Bereich gute Ausgangsbedingungen und deshalb auch frühzeitig Digitalisierungsinitiativen gestartet.  Aber klar ist: Vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen haben aufgrund knapper Ressourcen noch einen hohen Informations- und Unterstützungsbedarf. Die Stärke der bayerischen und auch der tschechischen Volkswirtschaft, das sind die KMUs. Der Freistaat Bayern intensiviert daher die Maßnahmen zur Vernetzung beim Technologientransfer speziell bei den KMUs und zwar über die Landesgrenzen hinweg. Das Zentrum Digitalisierung, die Anwendungszentren, die Cluster, aber auch z.B. die VDMA-Informationskampagne für KMUs weisen auf praxisnahe Anwendungsmöglichkeiten hin. Es gibt in Bayern einen Digitalbonus für kleine und mittlere Unternehmen, dort können unbürokratisch Fördermittel beantragt werden für Digitalisierungsprojekte. Wir haben in digitalen Gründerzentren ein innovatives Umfeld geschaffen, um auch die Startupszene weiter nach vorne zu bringen. Auch hier gibt es eine gute Zusammenarbeit zwischen Bayern und Tschechien. Tschechien hat eine sehr intelligente, sehr tüchtige Bevölkerung, hat junge Menschen, die begeistert die neuen Technologien aufgreifen und die gerne auch den Sprung in die Selbstständigkeit wagen. Zentral ist auch das Thema Berufsausbildung und Weiterbildung. Wir müssen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer qualifizieren für die Wirtschaft von Morgen, und die wird anders sein als die Wirtschaft von gestern und heute. 

Stichworte Fachkräftemangel: Was ist aus bayerischer Sicht ein nachhaltiges Rezept, um den Fachkräftemangel abzufedern? Der ist gerade hier in Tschechien enorm groß, und hier fehlt z.B. das duale Ausbildungssystem.

Wenn man heute nach den Erfolgsfaktoren des Freistaates Bayern nach dem zweiten Weltkrieg fragt, dann ist es tatsächlich diese berufliche Bildung, die enge Verbindung zwischen Theorie und Praxis. Es gibt drei Partner: die Politik, die Wirtschaft und die Schule. Diese drei Partner arbeiten Hand in Hand im Freistaat Bayern, um junge Menschen zu qualifizieren. Und das ist sicherlich ein Angebot unsererseits auch an Tschechien, hier noch stärker zusammenzuarbeiten. Tschechien hat hervorragend ausgebildete Akademiker. Das habe ich auf meinem Rundgang auf der MSV gemerkt. Tschechische Ingenieure halten jedem Wettbewerb stand. Was etwas fehlt, ist die Fachkräftequalifizierung, und deshalb müssen wir hier versuchen, noch stärker zusammenzuarbeiten. Es gibt große Firmen wie Siemens, die das selbst leisten. Aber es wäre wünschenswert, dass auch die kleinen und mittleren Unternehmen an Bord sind. 

Tschechien ist der drittwichtigste Importpartner aus der Sicht Bayerns. Reserven gibt es allerdings noch bei den tschechischen Investitionen. Was tut Bayern für tschechische Unternehmen, die gerne auf dem bayerischen Markt investieren würden?

Wir haben ein großes Interesse an Investitionen ausländischer Firmen in Bayern. Wir sehen Wirtschaftspolitik als eine Win-win-Situation. Bayerische Unternehmen, die sich heute in Tschechien engagieren, sehen Tschechien nicht als Absatzmarkt oder als verlängerte Werkbank, sondern als einen interessanten Produktionsstandort. Und umgekehrt wünschen wir uns, dass auch viele tschechische Firmen den Weg nach Bayern finden. Im Moment gibt es sehr viele Investitionen aus China. Das sehen wir nicht immer mit Freude, das macht uns durchaus Kummer und Sorgen, und insofern würden wir es begrüßen, wenn es gerade im mittel- und osteuropäischen Bereich noch stärker zu einer Zusammenarbeit kommt. Da hilft auch unsere Ansiedlungsagentur Invest in Bavaria. Mit dieser Agentur haben wir erfolgreich ausländische Firmen nach Bayern bekommen. Wir helfen diesen Firmen bei der Standortsuche, beim Aufbau von Kontakten und Netzwerken, auch zu Clustern und anderen Einrichtungen. Wir laden alle tschechischen Firmen ein, in Bayern Fuß zu fassen. Es kann eine Win-win-Situation für beide Länder sein.

Herr Staatssekretär, herzlichen Dank für das Gespräch.


Der Artikel erschien auf Tschechisch am 11.10. 2017 in » Hospodářské noviny in der Beilage » Veletržní noviny (pdf zum Download, 600 kB)

Foto © Petr Coufal

Kontakt:
Christian Rühmkorf
Tel.: +420 221 490 303
E-Mail: ruehmkorf(at)dtihk.cz

Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer Prag